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Sozialrecht: ALG-II-Leistungen auch für EU-Bürgerinnen und -bürger

Vorbehaltsklausel der Bundesregierung voraussichtlich unwirksam

15.04.2012
Rechtsanwalt Jörg Schindler

Bürgerinnen und Bürger aus Ländern der Europäischen Union müssen weiterhin mindestens Leistungen nach dem SGB II erhalten. Daran ändert auch ein von der Bundesregierung erklärter Vorbehalt gegen das Europäische Fürsorgeabkommen (EFA) nichts.

EU-Bürger können Hartz-IV erhalten.

Gemäß § 7 SGB II sind nicht nur Personen mit bundesdeutscher Staatsangehörigkeit, sondern - unter bestimmten Bedingungen - auch Staatsbürgerinnen und -bürger anderer Staaten anspruchsberechtigt. Insbesondere gilt das wie für deutsche Staatsbürger/-innen auch für Bürgerinnen und Bürger der EU. Das war in der Vergangenheit teilweise durch die örtlichen Jobcenter angezweifelt worden, ergibt sich nunmehr jedoch aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (B 14 AS 23/10). Denn gemäß Europäischem Fürsorgeabkommen (EFA) ist die Bundesrepublik verpflichtet, diese Ansprüche auch den Bürger/-innen dieser Vertragsstaaten sofort und ohne weitere Bedingungen zu gewähren.

EFA-Vorbehalt der Bundesregierung ist unerheblich.

Als Folge hiervon, und um - vermeintlich - Ansprüche von EU-Bürgern auszuschließen, hat die Bundesregierung gegen das EFA jetzt einen völkerrechtlichen Vorbehalt eingelegt. Jobcenter wiederum versandten Schreiben an Leistungsempfänger/-innen, wonach sie nunmehr keine Leistungen mehr erhalten würden.

Hierbei ist schon fraglich, ob dies völkerrechtlich möglich ist. Denn bei der Entscheidung des Bundessozialgerichts handelt es sich nicht um eine neue Rechtslage, sondern lediglich um die Klärung einer bisher streitigen Rechtsfrage.

Zudem gilt auch nach diesem Vorbehalt der Bundesregierung weiterhin die EU-Verordnung 883/2004 vom 29.04.2004. Danach sind bestimmte nationale Sozialleistungen, u.a. auch Leistungen nach dem SGB II ("Hartz IV"), ohnehin allen EU-Bürgerinnen und -bürgern gleich zu nationalen Staatsangehörigen zu bewilligen, so dass der Ausschlussvorbehalt der Bundesregierung unwirksam sein dürfte. Dementsprechend entscheiden regelmäßig auch die Sozialgerichte zugunsten der Betroffenen.

Sofern Sie als EU-Bürger/-in ein Anschreiben Ihres Jobcenter erhalten haben, wonach Sie keine Leistungen nach dem SGB II mehr beanspruchen könnten oder gar bereits Ihre Bewilligung nicht mehr ausgezahlt wurde, raten wir zur Inanspruchnahme einstweiligen Rechtsschutzes. Hierfür stehen wir Ihnen in unserem Büro in Berlin und Lutherstadt Wittenberg gern zur Verfügung.